[3]An Deutschlands Jugend

von

Walther Rathenau


1918

S. Fischer • Verlag
Berlin

Inhalt

Zueignung und Aufruf5
Zweifel18
Glaube42
Krieg74
Charakter97

[5]Zueignung und Aufruf

In dieser feierlichen Zeit des Abschiedes wende zueuch ich mich, Menschen der deutschen Jugend.Nie hat eine Menschheit so bewußt und verantwortungspflichtigan einer Scheide der Zeitalter gestanden. DieStunde hält ihren Atem an, zu lang für das bangendeHerz, zu kurz für das flatternde Gewissen, der Klöppelholt aus. Ist der Schlag verklungen, nach Menschenjahren,Sekunden des Äon, so stehen wir in fremderWelt und Zeit, beladen oder entsühnt, und blicken durchden Tränenschleier des Krieges nach dem entsinkendenReiche der Gewesenheit.

Unbewußter, zweifelfreier waren die, die vor wenigerals hundert Jahren durch den Nebel der Weltkriegedas rosenfarbene Jahrhundert verschwimmen sahen.Die Revolution hatte ihnen eine brauntuchene bürgerlicheSicherheit gegeben, der Krieg hatte mehr geschlichtetals genommen, sie fühlten beschäftigt das Nahen vonWissenschaft, Technik und Kapital und konnten sich demüberlassen, was sie Restauration nannten, und wasder häßlichste Nutzbau der übervölkerten, mechanisierungsdurstigenWelt war.

Der Bau wuchs; in den höchsten, luftigsten und frechsten[6]Geschossen des Himmelskratzers sind wir geborenund haben wir gelebt; jetzt bricht er nieder, aus Mangelan Gerechtigkeit und organischer Kunst, die man verschmähthatte, hineinzubauen. Er hatte kein Fundament,stand auf dem Schuttplatz der französischen Revolution,die Raum geschaffen hatte, aber keinen Baugrund.Bis in seine höchsten Zinnen, die Nationalismusund Imperialismus hießen, trug er keine Ideein sich, nur ein empirisches Gleichgewicht der Kräfte;alles was Idee hieß, rankte sich äußerlich empor undzermürbte seine Wände.

Keine neue Revolution kann uns die Arbeit erleichtern,denn die Zerstörung ist da, wir brauchen sie nichtzu rufen. Was gefordert wird, ist Arbeit, langsamer,heiliger Neubau, Dombau. Aus tiefen, geheiligtenHerzen und neuem Geist. Nicht aus der Frechheit,die sagt: Laßt mich nur, ich bin schlau und vernünftig,ich will einmal versuchen. Nicht aus satter Interessiertheit,die sagt: Wir werden alles reparieren. Nichtaus Stumpfheit und bürgerlicher Blöde, die sagt: KommtZeit, kommt Rat.

Die Schicksalsstunde webt nicht über Schlachten undKonfere

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