1914
Kurt Wolff Verlag · Leipzig
Dies Buch wurde
gedruckt im März 1914
als siebzehnter Band der Bücherei
„Der jüngste Tag“ bei Poeschel & Trepte
in Leipzig
Copyright 1914 by Kurt Wolff Verlag, Leipzig
Jene blutigangefahrne Maus,
die sich im Staub der Straße weh vertropfte,
als der Tag schwand und der mörderische
Autobus schon in der Ferne klopfte,
pulste auf zur Zeit der Morgenfrische
fern im Orient in einer neuen Maus.
Ein weißer Hund lief durch den kühlen Schatten,
der sich dichter in den Abend wob,
beschnupperte den kalten Leib und fühlte
seine Pflicht, die Toten zu bestatten.
Wie er die Leiche leicht mit Heilandszähnen hob
und sie in seinen Grabesrachen schluckend wühlte!
Der junge Mond verzückte sich, als er
die große Liebe sah, zog seinen Säbel
aus den Wolken, die ihn seligschwer,
wie Hallelujaengel hell umkränzten,
und zerschnitt den blauen Weihnachtsnebel,
daß die Menschen, die es sahen, alle glänzten.
Ich sah an einem himmelblauen Tag
nichts, als die wunderlichen Wolken wehn,
und fühlte meine Erde schaukelnd gehn,
auf der ich, süß vom Licht gekreuzigt, lag.
Die Stunde, die ich lebend so vollbrachte,
war weise wie ein hungeriges Tier;
ich wußte nicht mehr, daß ich selig lachte,
ich lachte, denn ich wußte nichts von ihr.
Als wiegte jemand ohne Aufenthalt
mich ewig fort von Tor zu Toren,
war ich plötzlich tausend Jahre alt
und plötzlich ungeboren.
Wenn dir der hinterlistige Tod
an weißen Tagen
mitten auf der Gasse
im eigenen Schatten begegnet und droht,
lauf unter die Sonne und lasse
ihn totschlagen!
Blinkt aber des Nachts aus dem schalen Wein
sein bleiches Gebein,
ist’s wohl am besten, man läuft
ans Faß und schüttet alles hinein,
daß der Tod ersäuft.
Zuweilen
kommt es auch vor,
daß er gleich tausend Nächte lang mit geilen
Brüsten und Schenkeln als falsche Venus erscheint und nicht ruht,
bis du se