Ullstein-
Bücher
Eine Sammlung zeitgenössischer Romane
Roman
von
Richard Skowronnek
Ullstein & Co
Berlin-Wien
Copyright 1911 by Ullstein & Co, Berlin
„Draußen bleiben, Kalinski!“
„Aber, meine Herren, der Fisch wird schlecht, läßtdie Köchin sagen, und wenn’s noch länger dauert,kann sie auch für den Braten nicht garantieren.“
„Ist egal, raus! Und kommen Sie hier nichtalle Nas’ lang ’reingeschettert, um zu horchen! Wennwir essen wollen, werden wir’s schon sagen!“
„Na schön, meinetwegen! Wenn aber nachherdas Diner nicht auf der sonstigen Höhe ist, ich hab’keine Schuld!“
Herr Kalinski, Oberkellner des Grand Hotel deRussie in dem ostpreußischen Landstädtchen Stradaunen,zog sich gekränkt von der Tür zurück, hinterder die Tischgesellschaft Masovia eine geheimeSitzung abhielt, und nahm vor seinem Stifte Louiseine würdevolle Haltung an.
„Horchen! Ich und horchen! Hast Du so wasschon mal an mir erlebt, Louis?“
„An Ihnen? Gott steh’ mir bei, nein, HerrKalinski! Aber das sind immer diese gemeinen Erfindungenvon dem Herrn Provisor Kellmigkeit. Woer unsereinen zu sehen kriegt, hängt er einem ’neGrobheit an.“
Herr Kalinski hob geringschätzig die glattrasierteOberlippe.
„Keine Klasse! Und merk Dir das für Deinezukünftige Laufbahn, mein Jungchen: Wie sich einergegenüber ’nem Kellner benimmt, danach kannst Duihn gleich eintaxieren, was er ist. Der gemeinePowel schimpft, der Mittelstand ist freundlich, fürdie ganz vornehmen Herrschaften aber ist der KellnerLuft. Einfach Luft!“
Das pfiffige Jungengesicht des Stiftes verzog sichzu einem Grinsen.
„Der Herr Provisor schimpft! Und neulich hater mich an den Ohren gerissen, ich soll in dem kleinenSchrankchen gekramt haben, wo die Herren das Protokollbuchverwahren über die geheimen Sitzungen.“
„Du hatt’st natürlich gekramt!“
Der Stift legte beteuernd die Hand auf die Brust.
„Herr Kalinski, ich schwör’ Ihnen, wahrhaft’genGott, nein! Aber wie das so kommt, das Schrankchenwar ganz zufällig umgekippt, neulich, und dabeiging die Tür auf. Na und weil ich doch nun nichtin ’nen falschen Verdacht geraten wollt’, als hätt’ich drin rumspioniert, fing ich in meiner Verlegenheitan zu probieren, ob ich die Tür vielleicht wiederzukriegen möcht’. Also da hat sich denn ’rausgestellt,daß mein Kommodenschlüssel zu dem Schrankchenpaßt, als wenn er extra dafür gemacht wär’.“
„Hm,“ sagte Herr Kalinski und sah seinen Lehrlingwohlwollend an, „was steht denn nun in demgeheimen Protokollbuch drin?“
„Gott, so allerhand. Einnahmen und Ausgaben,Berichte über Sitzungen und Festlichkeiten, für heuteaber war ’ne Tagesordnung angesetzt.“
„Eine Tagesordnung?“
„Ja, ich hab’s ganz genau gelesen. Beschlußfassungüber den Antrag Kellmigkeit, betreffendStellungnahme zu dem Referendarius Brenitz.“
„Derselbe, wo bei uns von Berlin aus telegraphischZimmer bestellt hat? — Was zum Deuwelhaben di