S. Fischer, Verlag, Berlin
Berlin, 1917
26.—40. Auflage.
Gedruckt während der Kriegszeit auf Papier mit Holzschliffzusatz.
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.
Copyright S. Fischer, Verlag, Berlin.
Das Meer
Wir hatten alles, was das Herz begehrt. Wirhatten Frauen die Fülle, wir hatten zu trinken,wir hatten Stürme, die mit achtzig Seemeilen Geschwindigkeitdahinfegten. Wir brauchten nichts, merci,hebe dich hinweg —
Auf unserer Insel gab es weder Baum nochStrauch. Wie ein in Schutt zerfallenes Gebirge sahsie aus, und ringsum keuchten die Klippen in derBrandung. Tag und Nacht aber donnerte es, horch!Das war das Meer. Es wehte, immerfort schrie derWind, und wenn ein Mensch über die Heide ging, soflatterte er wie eine zerfetzte Fahne. Zu jeder Stundebei Tag und bei Nacht schrillten die Möwen, dennihnen gehörte Insel und Meer. Manchmal versankdie Insel buchstäblich unter ihrem markerschütternden,feilenden Lärm. Wenn ich da draußen bei den Klippenschwamm, so reckten sie unruhig die weißen Köpfe,es waren ihrer drei, fünf, zehn, aber sobald ichnäher kam, waren es Hunderte, Tausende. Sie umkreistenmich schrillend wie eine wetternde Wolkeund mich erfaßte eine mystische Furcht, denn eswaren ihrer so viele. Sie schreien noch oft inmeinen Träumen.
En route! Das Großsegel donnert und wir jagendahin. Unsere Muskeln sind hart und unsere Herzenstählern und klingend — — —
Wann aber meine Augen zum erstenmal auf Rosseherrefielen, kann ich nicht mehr sagen. Ich weißnur, daß es an einem Posttag im Frühjahr war.Rosseherre war das einzige blonde Mädchen auf derInsel, und es ist möglich, daß sie gerade deshalbEindruck auf mich machte. Sie war eigentlich nichtblond, sondern gelb, wenn man so sagen kann. Alldie andern dagegen waren schwarz und ich kannte sie alle.
Zuweilen unternahmen wir eine Expedition, Yann,der „kleine Kapitän“, Poupoul, mein Hund, und ich,und auf diesen Entdeckungsreisen machte ich ihre Bekanntschaft.Es gab auf der Insel dreimal mehrFrauen als Männer, denn die Männer machten Dienstauf den Schiffen, Gott weiß, wo sie waren. Solangesie jung waren, waren sie schön, und altengingen wir aus dem Wege. Braun gebacken vonder Sonne waren sie und das Blut glühte in ihrenWangen und Augen, als ob sie gerade aus einemheißen Ofen kämen. Sie hatten weiße, starke Gebisseund pechschwarzes Haar, das sie offen trugenbis zu den Schultern herab. Sie waren einfältigenHerzens, munter und laut und zögerten nicht lange,denn es fehlte ihnen an Zeit und Auswahl.
Yann und ich setzten in irgendeiner kleinen BarDampf auf, dann sah mich Yann mit feuchtglänzendenAugen an und puffte mich: „Hehe?“
„Schön!“ sag