Bilder
aus dem Leben
zweier Menschen von heute
und aus der norddeutschen Tiefebene
in neun Büchern dargestellt
von
Albrecht Schaeffer
Der drei Bände zweiter
Im Insel-Verlag zu Leipzig
1920
Georg ging eine schräge, braungoldene Fläche hinunter.In der Tiefe war ein lichter, weißer Wald; die Bäumestanden weit voneinander und sahen wie große, schneeweißeTüten aus, die auf der Spitze standen. Im Näherkommengewahrte er, daß es riesige, schön gewundeneMuschelschnecken waren; ihre Windungen glühten rosig,und in ihnen rieselte es goldig. Vor der nächststehendenwaren zwei Pfähle aus Ebenholz, einer immer etwas höherals der andere, so daß sie eine Treppe bildeten, und indemer noch dachte, es müßten, da sie sich gegenseitig stets überhöhten,doch wohl mehr als nur zwei Pfähle sein, war erschon hinaufgestiegen, beugte sich über den rundwulstignach innen gebogenen Rand der Muschel und sah, daßeine Wendeltreppe hinunterführte. Er stieg sie hinab, siewand sich ins Bodenlose unter seinen Füßen fort, es wardAbend und Finsternis, dieweil er stieg, aber dann wußteer, daß er wieder die verbotene Treppe im TrassenbergerPallas beging. Diesmal aber war die Tür doch offen, eswehte eisigkalt aus dem Gang, Georg wußte, daß einsolcher da war, ohne ihn sehen zu können, und tastete sichfurchtsam, mit beiden Händen die ganz nahen Wändestreifend, vorwärts. Bald kam er an eine Biegung, aneine andere, es ging rechts, ging links, Georg dachte: gleichmuß die Falltür kommen, er schritt immer langsamer, ingroßer Angst, auf einmal war eine schwarze Türöffnungda und hinter ihr das Bodenlose. Die Angst verschlugihm den Atem, er wußte, daß er sterben, daß er hinunterstürzenund zerschellen sollte, nein, er wußte, schon wenner fiele, würde alles aus sein, und schon wich der Boden,er fiel, er löste sich, rücklings sinkend, auf in den Tod, nochdenkend, es ist ja gar nicht so schlimm, das Sterben — —
Da schlug er die Augen auf.
Eine Weile unbegreifend, wo er sich befand, erkannteer langsam die braune Tür gegenüber mit dem hellenLichtspalt von nebenan, dann in der Ecke rechts davonden kleinen Kamin mit dem Schattenriß des hängendenTeekessels über der roten Glut — langsam das ganze,kleine Zimmer, gefüllt mit Schatten, den Schattenriß desTisches zwischen Kamin und dem Sofa, auf dem er saß,und er hörte die englischen, losen Schiebefenster knackenund leise prasseln unter gelinden Stößen des Nachtwinds.Im Nebenzimmer räusperte sich jemand, Benno ... Dasaß er unsichtbar und komponierte bei seiner Lampe ...
Im selben Maß wie die Schlafbenommenheit entwichauch die Erscheinung des Traumes, nur die Erinnerungan den finstern Gang blieb noch; ihn schauderte leise imGedanken des Sterbens, wie er sich auflöste, angstvollund doch schon beruhigt ...
Da aber sah er wieder, wie immer, Renate, abgewandtvon ihm, durch