von
Berlin.
Verlag von Gebrüder Paetel.
1881.
Alle Rechte vorbehalten.
Herrn
Theodor Hermann Pantenius
in dankbarster Verehrung
zugeeignet.
In dem sonnenhellen, saubern Stübchen, das sie nunschon seit zwanzig Jahren bewohnte, saß Fräulein SabineKrauthoff und strickte, während sie, mit einer Hornbrilleauf der Nase, in einem abgegriffenen Buche las, welchessehr weit ab von ihr auf dem Tische lag.
Am Fenster blühten, trotz des Winters, Nelken undBalsaminen, und an den Wänden hingen allerlei Photographienin jeder Größe und Stellung. Aber nur Bildervon jungen Mädchen — Fräulein Sabine war Lehreringewesen. Mitten über dem Sofa prangte ein nach FröbelscherMethode kunstvoll gefertigtes Flechtblatt unter Glasund Rahmen — das hatte die Lieblingsschülerin desFräuleins, Käthchen Lang, geflochten, bei deren Eltern diealte Dame im Hause wohnte, und die inzwischen zu einemgroßen Mädchen herangewachsen war.
Aus dem Schüler- und Lehrerinnenverhältniß hatte sichmit der Zeit eine herzliche Freundschaft zwischen dem altenund dem jungen Mädchen gestaltet. Käthe, die sonst leichtein wenig hochfahrend sein konnte, ja die in ihren Bekanntenkreisensogar wegen ihrer kurzen Antworten undihres gelegentlichen Uebermuthes als „sehr schnippisch“ bezeichnetwurde, legte in der stillen Stube von FräuleinSabine all ihre kleinen Airs ab, und wurde immer wiederzum Kinde, das seine Thorheiten beichtete und sich liebevollabsolviren ließ.
Nie verging ein Tag, ohne daß Käthe die drei Treppenerstieg und an Fräulein Sabines Thür pochte — und sosehr hatte sich die letztere an diese täglichen Besuche gewöhnt,daß sie es recht schmerzlich empfand, als Käthevor einiger Zeit zu einer verheiratheten Freundin nach auswärtsging und fast drei Wochen abwesend blieb.
Doch nun war das vorbei — gestern hatte die FrauDoktor Lang sich ihr Töchterchen von der Eisenbahn geholt,und Fräulein Sabine erwartete nun ungeduldig denBesuch des allgemeinen Lieblings. Ihr Harren sollte belohntwerden. Nicht lange, so klopfte es; auf das „herein“kam ein junges Mädchen in die Thüre, schlank und großgewachsen, mit einem übermüthigen Zug um den kleinenMund, und einem sonnigen Lächeln in den dunkeln Augen.Sie begrüßte ihre alte Freundin mit der ihr eigenen ungestümenHerzlichkeit und setzte sich zu ihr — nicht aufden Stuhl, sondern aufs Fensterbrett.
„Und wie hast du dich bei Laura amüsirt?“ fragtedie alte Dame, nachdem sie den „mitgebrachten“ warmenShawl zur Genüge betrachtet und bewundert hatte.
„O sehr gut, Sabinchen, es war eine nette Zeit! aber“ —
„Nun, was „aber?“ fragte Fräulein Sabine erwartungsvoll,und schob die Brille auf die Stirn zurück.
„Ach — ich habe wieder einmal eine meiner gewöhnlichenDummheiten gemacht! Soll ich sie dir erzählen?aber du mußt nicht schelten?“
„Das kann ich nicht so gewiß versprechen,“ sagte dieAlte, indem sie