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Roman aus einer Kleinstadt
von
Felicitas Rose
Sechsundvierzigstes bis fünfzigstes Tausend
Berlin * Leipzig * Wien * Stuttgart
Deutsches Verlagshaus Bong & Co.
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1910 by Deutsches Verlagshaus Bong & Co.
Graphia Akt.-Ges. vormals C. Grumbach in Leipzig
[1]
Motto:
Carmen Sylva.
Da stand es noch. – Genau wie einst im Schattender uralten Eichen.
Grau und langgestreckt mit einer langen Reiheniedriger Fenster. Und aus dem Giebelfenster schautendie steinernen Pferdeköpfe, beide von einem steinernenEichenkranz umschlungen.
Wie ging noch die Sage? Die Sage vom Eichenborn?
Im Jahre 1298 hatte von diesem Fenster ausein Jungfräulein Eik von Eichen nach ihrem Liebstenausgeschaut.
Das war ein Musikant gewesen, »ein fahrenderSchüler, ein wilder Gesell«, den erst die allmächtigeLiebe zahm gemacht. Der ergrimmte Vater hatte gesprochen:
[2]
»Ebensowenig wie meine Rösser hier oben in deineKemenate steigen, sich unser Wappen umhängen undaus dem Fenster hinabschauen ins Tal der wildenGera, ebensowenig sollst du und dein Buhle jemalses tun.«
Aber da hatte es plötzlich getrammst und getrappelt,und die beiden Rosse waren die gewundenen Treppenhinaufgestiegen, umschlungen von einem Eichenkranz.Sie hatten sich eng aneinander geschmiegt und schautenins Tal der wilden Gera, darinnen der herzwunde,einsame Spielmann seines Weges zog.
Darauf gab es eine fröhliche Hochzeit und – wennsie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch.
Es gab kaum einen alten Mann oder eine alteFrau in Schwarzhausen, die nicht auf diese Legendeschworen.
Hinter dem schloßähnlichen Gebäude lag der weite,große, grasbestandene Hof, in seiner Mitte standensteinerne Bänke um einen Riesentisch, und über diesemPlatz wölbte ein alter Nußbaum seine Riesenzweige.
O wie duftete ein Blatt von diesem Baum, wennman es in die warme Kinderhand nahm – – –
Alles kann man vergessen in der raschen, hastenden,lockenden Welt da draußen, aber diesen Duft nicht, –niemals – – –
Und au