Anmerkungen zur Transkription:
Es wurde größte Sorgfalt darauf verwendet den Text originalgetreu zu übertragen. Lediglich offensichtliche Fehler wurden korrigiert.Sämtliche vorgenommenen Änderungen sind markiert, der Originaltext erscheint beim Überfahren mit der Maus.Eine Liste aller Korrekturen befindet sich am Ende des Textes.
Von
Dr. A. v. Kleemann.
Sonderabdruck aus dem Jahresberichte des k. k. Sophien-Gymnasiums
im II. Bezirke in Wien.
WIEN.
Im Selbstverlage des Verfassers.
1906.
K. u. k. Hofbuchdruckerei Carl Fromme, Wien.
[Seite 3]
Das Problem des platonischen Symposion.
Unter all den herrlichen Werken, die Platons Genius geschaffenhat, gebührt dem Symposion die Krone. Seine echt attische Grazie undAnmut erinnert an die Schöpfungen des Praxiteles. Keine andere Schriftzeigt Platons universales Können in gleichem Maße. Der Dichter wieder Philosoph hat hier die höchste Staffel erklommen.
Den Forscher aber stellt dieses Wunderwerk vor eine schwierigeAufgabe. Seine Lehren stehen zu dem Inhalt anderer platonischerSchriften aus früherer und späterer Zeit in so schroffem Widerspruche,daß man versucht wäre, die Echtheit des Symposion in Zweifel zu ziehen,wäre sie nicht über jeden Zweifel erhaben.
Eine gegensätzliche Auffassung zeigt das Symposion z. B. gegenüberdem ‚Gorgias‘ in der Beurteilung der Dichter: im ‚Gorgias‘ ausnahmslosals Diener des Pöbels gebrandmarkt (p. 502 b ff.), erfahren sieim Symposion die entgegengesetzte Behandlung; ihre Ersten, Homer undHesiod, werden mit den großen Gesetzgebern Lykurgos und Solon ineine Linie gestellt und um des unvergänglichen Ruhmes ihrer Schöpfungenwillen den Heroen gleichgesetzt (p. 209 a–e).
Wie das Schaffen des Dichters, so betrachtet das Symposion auchdie Äußerungen des Ehrgeizes (φιλοτιμία) als Betätigung des geistigenZeugungstriebes, mithin des höchsten Preises wert. Ja, das Streben nachunvergänglichem Nachruhm, im Grunde eine φιλοτιμία höheren Grades,wird geradezu als das eigentliche Motiv der geistigen Zeugung bezeichnet.
Damit harmoniert nun keineswegs die Verurteilung der φιλοτιμίαim Staat (I, 347 b).
Indes ließe sich in diesen beiden Fällen ebenso wie bei der Differenzin der Beurteilung des παιδοσπορεῖν, welche das Symposion gegenüberdem ‚Phaidros‘ aufweist (der Phaidros tut p. 250 e ff. das παιδοσπορεῖνverächtlich ab und betrachtet es als Abirren vom wahren Ziel, während[Seite 4] das Symposion darin das Ewigkeitsstreben des