Schwarzkopf/Riesele
Nikolaus Schwarzkopf
Geschichte eines kleinen Pferdes
1920
Georg Müller Verlag München
1. bis 3. Tausend
Copyright 1920 by Georg Müller Verlag A. G., München
Meinen beiden Buben
Friedemann und Klaus
Trudel, die kleine, hochträchtigeStute, zog das mit frischem Grasbeladene Wägelchen den tiefgleisigenWeg nach ihrem Stalle hinan,und der Bauer, der mit seinen dreiKindern oben auf dem Grase lag,sagte:
„Sie hat nun Feierabend für ein paarWochen: morgen oder übermorgenwird sie uns ein Füllen schenken!”
Die Kinder, zwei Buben und einMädchen, hüpften aus Freude darübervon dem Wagen herab, und auch derVater kletterte herunter, und alle viersprangen sie an die Radachsen und drücktenund schoben, daß Trudel nicht mehrzu ziehen brauchte und vor Freude lautaufwieherte.
Aus dem Fenster der Wohnstube,[S. 8]grad überm Stalle, guckte die Bäuerin,die Mutter der Kinder, und rief:
„Ist's Zeit für die Trudel, soll ichkommen?”
Sie kam auch schon die hohe Steintreppeherabgesprungen, verlor den einenHolzschuh, stieß auch den anderen zurTreppe hinab und riß die Stalltür aufund rannte barfuß in die kleine Scheune,frisches Stroh zu holen.
„Nur Geduld!” sprach der Bauer,„so eilt's wohl nicht, Katherin; ihrWeiber seid mir allzu ängstlich besorgtum euer schweren Stunden!”
Hühner, dreißig an der Zahl, standenaus dem Sande auf, schüttelten denStaub aus den Federn und sahen neugierigund wie in Ehrfurcht zu der Stutehin, der bunte Hahn krähte einmal, eineHenne kam mit ihren zehn Küchlein ausden Halmen der Wiese, junge Enten, dieim Wiesengraben plätscherten, wackeltenmühselig an den Weg, und etlicheschwere Gänse hüpften flatternd auf[S. 9]den Wagen, das frische Gras zu versuchen.
Indessen wurde Trudel von acht rührigenHänden abgeschirrt, das kleineMädchen legte seine Hand an des Tieresschwabbelige Lippen, und diese folgtendem Händchen in den weitgeöffnetenStall.
Bärbel, die Kuh, deren Kalb, weiles ein vernaschtes Ding war, seitabgebundenan seinem Stricke riß, Bärbel,die Kuh, drehte den breiten Kopf nachder Trudel und schob zugleich das Hinterteilmit dem schweren Euter dem blökendenKinde zu, das heftig einstieß.
„Mamme, der Max sauft schon wieder!”rief der rothaarige August derMutter zu, die mit einem Arm voll Strohhereinkam in den Stall.
„Laß ihn heut noch einmal saufen,den Nimmersatt, morgen ist er nichtmehr der Jüngste im Stall, da wird ersich schämen, so vernascht zu sein!”
Sie zerknüllte das widerborstige[S. 10]Stroh und breitete es unter der Trudelaus, und zwei Zicklein hüpften um sieher, indem sie, einen Halm im Mäulchen,die überlangen Hinterbeine nachallen Seiten in der Luft umherwarfen.Auch Sapperlott, der Hasenvater, kamüber die sauberen Pflastersteine desStalles dahergehoppst, indes die alteHäsin hinten in ihrem verdrahteten Geburtskastenhockte und ihre Zitzen einerwimmelnden Kinderschar preisgab.Sapperlott hüpfte mitten hinein insneue Stroh, die Bäuerin packte ihn imGenick und warf ihn de