[IV]
DER
KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
zu
AMSTERDAM
UND DER
KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
ZU
BRÜSSEL
GEWIDMET. [VII]
Die weltliche Liederdichtung der Niederlande im 15.Jahrhundert erscheint als eine mit der deutschen ziemlich gemeinsame:die deutschen Lieder dieser Zeit finden sich oft auchniederländisch, und bei vielen lässt sich kaum ermitteln, obsie ursprünglich deutsch oder niederländisch sind. Bis in dieMitte des 16. Jahrhunderts dauert dies Verhältniss fort, dann aberwird es anders: in den Niederlanden wird das Volkslied und dasvolksthümliche Lied erst durch die Rederijkers verdrängt, undendlich durch die gelehrten oder gelehrt thuenden Poeten fastvöllig beseitigt.
Die neue bewunderte Kunstpoesie in den nördlichen Provinzen,die seit 1579 die Republik der Niederlande bildeten, bemächtigtesich auch bald desjenigen Theils des Volks, der bisher noch jene alteneinfachen, volksmäßigen, vaterländischen Lieder festgehalten hatte.
Durch Nachahmung romanischer Formen entstand jene großeKünstlichkeit im Versbau und im Reimen, wobei denn fürGedanken und Gefühle nur bloße Spielerei mit Worten undReimen zum Besten gegeben wurde. Nebenbei suchte man allerleiBeziehungen auf die Mythologie und Geschichten der Römer undGriechen anzubringen und überhaupt seine Gelehrsamkeitauszukramen. Und so sangen denn bald Bürger und Bauer so gut wieder verliebte Stubengelehrte und lebenslustige Student von Venus und Cupidootje, Venuswichtje, von Jupijn (dazu warJupiter geworden) und von anderen Göttern und Göttinnen. Esgibt Lieder, welche eine eben so genaue Kenntniss der Mythologie wieder heil. Schrift voraussetzen. [VIII]
Thirsis Minnewit 1. D. bl. 123.
Als boksvoetje speelt op zijn pijpje in ’tdal,
zoo zingen en springen de Satertjes al,
de boompjes in ’t wild,
’t gansch bosjen dat drilt
en schartelt van liefelijk nageschal.
Wie Form und Inhalt fremdländisch undunvolksthümlich wurden, so auch die Sprache und zwar in demselbenMaße. Schon das Antw. LB. 1544 bietet viele Belege dazu; soheißt es z. B. Nr. 36, 3:
Noch heeft si een hoochmoedighe coragie
ende daer toe enen fieren ganc,
ic en hoorde mijn daghe niet soeter sanc,
dan si bedrijft met haren voys g