Charles Fourier

Sein Leben und seine Theorien.

Von

A. Bebel

Stuttgart
Verlag von J. H. W. Diek
1890




Vorrede.


Das achtzehnte Jahrhundert zählt in der Geschichte derEntwicklung der Menschheit zu jenen Perioden, auf denen der Blick desKulturforschers und Fortschrittsfreundes mit besonderem Interesseruht. Nach den religiösen, politischen und sozialen Kämpfendes Reformationszeitalters war, wie das stets nach großen Volks-und Massenbewegungen zu geschehen pflegt, eine Art Stillstand undRückschlag für die Fortentwicklung eingetreten. Die durchdie Reformationsbewegungen zur Geltung gekommenen Stände undInteressen suchten sich zu konsolidiren und die daraus hervorgehendenReibungen führten wieder zu gewaltsamen Kämpfen undErschütterungen von mehr oder weniger langer Dauer, die alleübrigen Interessen absorbirten, den materiellen wie den geistigenFortschritt der Massen für lange Zeit hemmten.

In Deutschland hatte die Reformation dem LandesfürstenthumOberwasser verschafft. Die Landesfürsten hatten die Reformationbenutzt, um unter dem Deckmantel der Religion die eigene Hausmachtnach Möglichkeit zu stärken dadurch, daß sie denkleinen Adel sich unterthänig und von sich abhängig machten,die Macht der Geistlichkeit brachen, sich selbst die bischöflicheGewalt beilegten, Kloster und Kirchengut konfiszirten und diegewonnene Macht benutzten, sich immer mehr von der Kaisergewalt zuemanzipiren, diese zum bloßen Schatten zu degradiren. Aus diesemInteressenkampf der Fürsten entstanden die sogenanntenReligionskriege, der schmalkaldische und der dreißigjährigeKrieg, die Deutschlands politische Ohnmacht und Zerrissenheit aufJahrhunderte besiegelten, seine ökonomische Schwächung— die schon durch die Umgestaltung der Weltmarktsbeziehungen inFolge der Entdeckung von Amerika und des Seewegs nach Ostindienveranlaßt war — noch vergrößerten undallgemeine Armuth, schweren geistigen und geistlichen Druck überLänder und Völker verbreiteten.

In Frankreich erzeugte die Reformation die Kämpfe der Hugenotten,d. h. des hugenottisch gesinnten Bürgerthums und die desfrondirenden Adels gegen das frühzeitig sich entwickelnde, alleszentralisirende absolute Königthum. Nach längerenKämpfen siegte das letztere und fand in Ludwig XIV. seinenglänzendsten, aber auch seinen bedrückendsten undgewaltthätigsten Vertreter. Die inneren und äußerenKämpfe Frankreichs im 16. und 17. Jahrhundert hemmten die freieEntwicklung des materiellen wie geistigen Fortschritts.Bürgerthum und Adel gegenseitig feindlich, das Land nachaußen, namentlich unter dem erwähnten Ludwig, von einemKrieg in den anderen gestürzt, war schließlicherschöpft und verarmt. Solche Zeitalter sind nicht geeignet,große Ideen zu gebären, für geistige Kämpfe dieBahn frei zu machen. Dagegen zeigte das achtzehnte Jahrhundert inFrankreich ein ganz anderes Bild. Frankreich bildete für diesesZeitalter die Wiege des menschlichen Fortschritts auf allen Gebieten;hier entwickelte sich allmälig eine Fülle von geistigemGlanz und Leben, wie sie bis dahin kein Volk und kein Zeitalter ingleichem Maße erlebte. Die Menschen wuchsen sozusagen übersich selbst hinaus und setzten alle Geister und Herzen in der ganzenKulturwelt in Bewegung. Frankreich mag viel gesündigt haben, dieDienste, die es während des achtzehnten Jahrhunderts derMenschheit leistete, werden ihm, so lange Menschen leben, unvergessenbleiben.

Die Fortschritte begannen unmittelbar nach dem Tode Ludwig's XIV.,dessen Gewalt mit eisernem Drucke auf dem Lande gelastet, alle freiebürgerliche Regung erdrückt, alle freie geistige Bewegungerstickt hatte. Das Land stand nach seinem Tode am Rande desmateriellen und g

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