Kleine Bibliothek Langen Bd. X
Novellen
Paris, Leipzig, München
Verlag von Albert Langen
1898
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Die Schaffnerin | 9 |
Die Mächtigen | 103 |
In der Nähe einer unterfränkischen Stadt lagein hübsches Gut, das dem Generalleutnant vonBruneck gehörte. Der Besitzer selbst wohnte niemalsdort, kam höchstens zwei- oder dreimal jährlich zurInspektion, wobei die Zeit seines Aufenthaltesso kurz war, daß der Bursche, der sein Pferdhielt, während dieses Wartens durchaus nichtermüdete. Es ging die Rede, daß traurigeFamilien-Erinnerungen den Herrn von Bruneckan einen längeren Aufenthalt auf seinem Gutnicht denken ließen.
Seit zwei Jahren verwaltete das Besitztumder »Amtmann« Bödensaß, ein phlegmatischer[12]alter Herr, der alle Geschäfte, Schreibereien, Abmachungenund Verkäufe dem Belieben seinesUntergebenen, des Wirtschaftsschreibers Tarnowüberließ. Tarnow war ein schweigsamer, gutmütigerund mitleidiger Mensch. Er konnteNiemanden beleidigen oder kränken, er konntekeinem Menschen ein böses Wort sagen. Ungefähreinen Monat, nachdem er seine Stellung angetreten,ereignete sich folgender Vorfall. DerFuhrknecht Stauff hatte zu schwer aufgeladen.Das einzige Pferd zog an dem übervollen Wagen,als ob ihm die Rippen springen wollten; es warzum Erbarmen. Das schlecht genährte Tier,das längst sein Gnadenbrot oder den Todesstreichverdient hatte, brachte den Wagen kaum biszum Hof, der etwas bergig anstieg, wie dennüberhaupt das ganze Gut auf einem Hügellag, der die Form eines Katzenbuckels hatte.Die Schindmähre bemühte sich umsonst, dasächzende und knarrende Fuhrwerk in die Höhezu ziehen; sie verdrehte die Augen, hing den[13]Kopf tief und angespannt nach vorn, tappte mitden Hufen verzweifelt und in schnellen Schlägenherum, zerrte und zerrte, aber der Wagen, dermit Ziegeln für den Bau einer Art Waschküchebeladen war, rührte sich nicht von der Stelle.Der Knecht aber bildete sich ein, die Mähre seinichts weiter als starrköpfig; er schimpfte undwetterte deshalb und hieb sinnlos auf den schweißtriefendenGaul ein, wobei er selbs