Ullstein-Bücher

Eine Sammlung
zeitgenössischer Romane

 

 

Verlags-Logo

 

Ullstein & Co / Berlin und Wien

 


 

Ins neue Land

Von
Gabriele Reuter

 

 

Verlags-Logo

 

Ullstein & Co / Berlin und Wien

 


 

5Die Schwester stand mit dem Arzt auf dem kleinen Flur vor demParterresaal der Verwundetenbaracke.

»Wie geht’s unserm Finsteren?« fragte der junge Doktor im weißenOperationsmantel, mit der unpersönlichen Heiterkeit, die Ärzten undPflegerinnen im Verkehr untereinander und mit den Patienten zurGewohnheit geworden ist.

»Wieder etwas Temperatur, der geistige Zustand derselbe, schwereDepression. Antwortet kaum auf eine teilnehmende Frage. Reden Sie dochmal mit ihm, Herr Doktor ...«

»Ja, das will ich, Schwester ... Sonderbar, gerade den Gebildetenunter den Verwundeten geht es oft so besonders hart an, 6sich mit ihrem Schicksal abzufinden. Man sollte meinen ...«

»Sie haben eben die größere Denkfähigkeit, um sich alleSchwierigkeiten der gehemmten Zukunft deutlich vorzustellen,«antwortete die Schwester. »Haben Sie mal auf die ausgearbeitete Stirnunseres Finsteren geachtet?«

»Was Ihnen noch alles auffällt bei Ihrer Arbeitslast, Schwester ...Na, werde mir unsern Mann mal vornehmen.«

Der junge Arzt öffnete die Glastür. Aus langen Reihenweißer Eisenbetten grüßten ihn die Augen vonbärtigen und unbärtigen, jungen und altenMännerköpfen. Feine wie stumpfe, törichte wie klugeGesichter wendeten sich ihm erwartungsvoll zu. Sie alle, diese Krieger,welche ihr Leben rücksichtslos dem Tode entgegengeworfen hatten,waren nun in qualvollen Tagen und schlaflosen Nächten so mürbegeworden, daß sie von einem blonden 7fröhlich blickenden jungen Manne im weißen Kittelsehnsüchtig irgendeine Linderung ihrer Leiden, irgendeinen Trostfür unerträgliche Pein des Körpers oder der Seeleerwarteten.

Der Arzt ging von Bett zu Bett, scherzte, munterte auf, interessiertesich für einen Skat, der in einer Ecke im Gange war, für eingetroffeneBriefe wie für die Fiebertabellen zu Häupten der Verwundeten und fürihre Verbände. Einem jungen Bengelchen mit blassem Kindergesicht, der,aus tiefem Schlaf erwachend, ihn verwirrt anschaute, strich erzärtlich, wie einem jungen Bruder über den kurzgeschorenen Kopf.»Weiterschlafen, – ruhig weiterschlafen!«

Der »Finstere«, von dem die Schwester geredet, war schon ein Mann inreifen Jahren. Die Stirne kahl und hoch, ein hageres, scharfausgeprägtes Gesicht mit großer Hakennase und dunklem Bartgestoppel umdas energische 8Kinn. Der Stumpf des rechten Armes, von dickenVerbänden umwunden, hing in einer Schwebevorrichtung.

»Damit können wir jetzt aufhören,« sagte der Arzt. Er löste mit Hilfeder Schwester die Binden und Gehänge. »Es hat keinen Zweck mehr. DieHeilung schreitet ja gut voran. Die Schmerzen sind wohl erträglicher,seit wir uns zu dem

...

BU KİTABI OKUMAK İÇİN ÜYE OLUN VEYA GİRİŞ YAPIN!


Sitemize Üyelik ÜCRETSİZDİR!