Erste bis fünfzehnte Auflage
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1922 by S. Fischer, Verlag, Berlin
Oberlins drei Stufen | 7 | |
Die erste Stufe | 9 | |
Die zweite Stufe | 51 | |
Die dritte Stufe | 121 | |
Sturreganz | 225 |
Marta der Gefährtin
gewidmet
Der Knabe Dietrich Oberlin wuchs im Hause seinerEltern in der strengen Zucht auf, die ein Ergebnis ehrwürdigerÜberlieferung war. Die Familie gehörte zu den altpatrizischender Stadt Basel; ererbter Reichtum und ererbteÄmter zeichneten sie aus; Dietrichs Großvater warBürgermeister gewesen, sein Vater war Mitglied der Regierungund saß im Rat der Nation.
Er war das einzige Kind, zwei Geschwister waren infrühem Alter gestorben, ihm war die Pflicht zur Haltung undRepräsentation schon mit dem Erwachen des Bewußtseinseingeprägt. Der Tag hatte seine festbestimmte Teilung; erbegann Sommer und Winter um sechs Uhr und endete umneun. Da war kein Übergreifen möglich, keine ViertelstundeLicht zu abendlicher Lektüre, kein Ausflug über die gesetzteFrist. Bei Tisch hatte man auf die Sekunde zu erscheinen,waren Gäste da, so unterlag die zu übende Zurückhaltungder wachsamsten Aufsicht. Verkehr mit Menschen war anRegeln gebunden; das und das hat man zu sagen, das unddas hat man zu verschweigen. Jedem war ein ihm zukommendesMaß von Ehre zu erweisen, bis auf Gleichaltrigeherab; der Name, den er trug, die Familie, aus der er stammte,der Grad der öffentlichen Schätzung, die er infolgedessengenoß, zeigten die Richtung und ordneten die Beziehung.Man lernte, wie man jemand durch einen Gruß von sichentfernen oder Entgegenkommen ausdrücken konnte; Lächeln,Freundlichkeit, Frage, sie beruhten auf Brauch und Verabredung.