Epilog zum Staatsgefängniß.
Nebst
zwei andern Novellen
von
August Schrader.
Leipzig, 1851.
Verlag von Christian Ernst Kollmann.
In einer der lebhaftesten Straßen Semlin's prangtean einem freundlichen einstöckigen Wohnhause einblaues Schild, auf welchem mit großen goldenenBuchstaben die Worte standen »Löwen-Apotheke.«Neben der großen Glasthür, die in das Inneredes Hauses führte, stand auf einem weißen Piedestalvon Holz die Illustration zu dem Texte im blauenSchilde, nämlich ein kleiner gelber Löwe mit einerKrone, der in seinen Vordertatzen ein dunkelrothesHerz hielt, auf welchem abermals das Wort »Apotheke«in Goldbuchstaben zu lesen war.
Das Erdgeschoß dieses Hauses enthielt außerdem Verkaufslocale und dem Laboratorium nochdie Wohnzimmer des Besitzers, deren freundliche mit feinen weißen Gardinen geschmückten Fenster einenscharfen Contrast gegen die dunkeln, unfreundlichenNachbarhäuser bildeten, die fast alle von Handwerkernund Krämern bewohnt wurden.
Das erste und einzige Stockwerk, obgleich esnur von einem jungen unverheiratheten Advokatenbewohnt ward, stand an Eleganz und Sauberkeitdem Erdgeschosse nicht nach, es zeichnete sich vielmehrdurch einen Flor ausgewählter Blumen inden reinlichen Fensterbrüstungen vor demselben aus.
Der Besitzer dieser Niederlage von Heilmittelnwar ein Mann von ungefähr fünfzig Jahren undnannte sich Istvan Czabo. Sein Haupthaar warbereits stark ergraut, aber die Lebendigkeit seinerBewegungen, das Feuer der großen Augen unddie mäßige Korpulenz seiner hochgewachsenen Gestaltschienen einem kräftigen Manne von vierzig Jahrenanzugehören.
Herr Czabo war seit längerer Zeit schon Wittwer,seine Lebensgefährtin hatte vor zehn Jahrendie Cholera hinweggerafft, die damals mit großerGewalt in der armen Stadt gehaus't. Netti, seineeinzige Tochter, zählte bei dem Tode der Mutternur erst elf Jahre, so daß in ihr eine Stütze für die Wirthschaft nicht zu finden war; der betrübteWittwer war daher gezwungen, eine Haushälterinzu nehmen, der er die Sorge für die Oekonomieunumschränkt übertrug.
Die Wahl dieser Person war eine glücklichegewesen, denn Meta, eine kinderlose Wittwe, ersetztevollkommen die waltende Hand der geschiedenenGattin und half durch Sparsamkeit den Wohlstandihres Herrn erhöhen.
Netti reifte indeß zu einer blühenden, schönenJungfrau heran, auf die mehr als ein Dutzendjunger Leute aus dem mittlern und höhern Bürgerstandeder Stadt sehnsüchtige Blicke warfen. DieJungfrau hatte auch bald gewählt, der AdvokatFerenz, der den ersten Stock des Hauses bewohnte,war der Auserkorene, beide liebten sich mit demersten Feuer der Jugend und der Vater billigtediese Liebe, da Ferenz einer der tüchtigsten Advokatender Stadt war und ein jährliches Einkommenerwarb, das ihm ein gutes Haus zu führen erlaubte.
Schon seit länger als einem Jahre hatte HerrCzabo die Verlobung seiner Tochter mit dem jungenAdvokaten angesetzt, die unglückliche Revolution derUngarn, die auch Semlin, die äußerste Grenzstadt in steter Gährung erhielt, war dem sorglichen Vaterindeß ein Stein des Anstoßes gewesen